In Afghanistan sind Sitten wie im Mittelalter
Ein Beitrag für die Elfter-September-Ausgabe der Schülerzeitung (die im Januar erschien). Auslöser war tatsächlich jene zitierte Radiomoderation. Komischerweise verstand sonst keiner die mitschwingende Bedeutung bei dieser deutlichen Betonung. Tja…
Interessanterweise steht in meiner Word-Datei noch “Ein Angriff auf die Grundrechte” als Überschrift.
In Afghanistan sind Sitten wie im Mittelalter
Was soll ein Radio-Moderator sagen, wenn die USA eine Stunde zuvor die afghanische Hauptstadt Kabul angegriffen haben. Er muss sich schon sehr genau überlegen, wie er in dieser Situation reagiert…
Schließlich ist es in dieser Zeit nicht sehr einfach, seine Meinung öffentlich zu machen. Zumindest die wahre Meinung. In einem Land, in dem die Meinungs-Freiheit hoch geschätzt wird, sollte eine Lehrerin eigentlich nicht suspendiert werden, weil sie die Terroranschläge in ihrem Geschichtsunterricht von allen Seiten betrachtet. Es ist dennoch geschehen. Am folgenden Tag durfte sie an ihrem sächsischen Gymnasium nicht mehr unterrichten.
Ähnlich erging es einem brandenburgischen Pastor, der einerseits seine Trauer mit den Hinterbliebenen bekundete, es andererseits aber ablehnte, sich als Amerikaner zu bezeichnen. Auch hier gab es Rücktrittsforderungen, schließlich dürfe doch ein Geistlicher nicht so kaltherzig urteilen.
Selbst erfahrene Journalisten bleiben von den pro-amerikanischen Zwängen nicht verschont: Ulrich Wickert meinte, dass die Ziele von Bin Laden und Bush verschieden seien, aber „die Denkmuster“ seien ähnlich. Auch hier das übliche Schema: Vorwürfe, Rücktrittsforderungen, Bestürztheit, wie man solche Dinge äußern könne. Schließlich müssen wir unseren amerikanischen Freunden beistehen, da gibt es keine Meinungen in die „falsche“ Richtung, da gibt es die Gleichschaltung der öffentlichen Meinung. Wenn einem das nicht bekannt vorkommt…
Schließlich wurde über die PDS als einzige Bundestags-Partei eine gemilderte Informationssperre verhängt: Einzig, weil sie sich gegen die Angriffe aussprach, wird sie weniger Informationen bekommen.
Der Radio-Moderator muss schon sehr überlegen, was er sagt. Es könnte schließlich seinen Job kosten! Also wird er nur den nächsten Song ankündigen, vielleicht etwas doppeldeutig und passend zur Situation: „Und nun ein Titel, der in dieser Zeit viel zu wenig Beachtung findet: ‚Let It Be’!“