Das Jesus Video

Das war etwa die Zeit, in der ich alle möglichen Begebenheiten zu einem Artikel verwurstete. In diesem Fall mit dem grandiosen Roman “Das Jesus Video” aber durchaus gerechtfertigt. Und dass die Verfilmung zufälligerweise kurz vor Drucklegung ins Fernsehen kam, drückte dem Artikel noch den Stempel der Aktualität auf…

Das Jesus Video

Haben Sie jemals ein Buch gelesen und dann den Film dazu gesehen, ohne enttäuscht gewesen zu sein? Genau diese Situation haben wir hier.“ Denn man ist dem „Jesus-Video“ auf der Spur, bei dem es sich nicht um einen italienischen Sandalenfilm aus den 50ern handelt, sondern um eine Videoaufnahme aus dem Palästina im Jahr 0035.

Aber der Reihe nach, sofern dies in einer Geschichte mit Zeitreise-Elementen überhaupt möglich ist: Bei einer archäologischen Ausgrabung in Israel findet der junge Amerikaner Stephen Foxx neben einem Skelett eine Bedienungsanleitung für eine Sony Videokamera, die erst drei Jahre später auf den Markt kommen wird. Doch nicht nur er, die Israelin Judith und ihr Bruder machen sich auf die Suche nach der dazugehörigen Kamera mit dem interessanten Video, sondern auch ein äußerst mächtiger Gegenspieler. John Kaun, Besitzer eines weltweiten Nachrichtenkanals und Geldgeber der Ausgrabung versucht, an die Aufnahmen heranzukommen, um die höchsten Einschaltquoten zu erreichen und nebenbei die katholische Kirche zu erpressen. Bis zum Ende, das im Prinzip der Anfang ist, geschehen dabei noch einige unerwartete Wendungen.

Andreas Eschbach schafft es durchweg, die Spannung auf einem hohen Niveau zu halten. Ein geradezu fieses Mittel dafür ist der häufige Szenenwechsel, der natürlich immer an den aufregendsten Stellen einsetzt. Und man sieht (wenn überhaupt) kurz auf die Uhr und liest dann doch mal schnell die nächsten 100 Seiten. „Das Jesus Video“ ist – wenn man so will – eine Art Popcornliteratur, denn wie bei dem oft verwendeten Begriff „Popcornkino“ fühlt man sich stets blendend unterhalten.

Die eigentliche Meisterleistung besteht jedoch darin, dass das Werk einerseits packend geschrieben ist, andererseits aber widerspruchslos recherchiert scheint. Eschbach hat sich selbst zeitweise gefragt: „haben die in der Landesbücherei jetzt überhaupt noch Bücher für die anderen Leute oder steht gerade alles bei mir hier herum?“ Tatsächlich stellt sich nach den vielen äußerst logischen Erklärungen und Theorien die Frage, warum diese Ereignisse nicht längst stattgefunden haben. Das Buch ist jedenfalls weitaus weniger Science Fiction, als das Zeitreise-Thema vermuten lässt. (Diese Zeitreise ist im übrigen auch schon fast logisch erklärt)

Deutlich bedeutsamer ist da schon die religiöse Seite des Thrillers. Ein Videobeweis für oder gegen Jesus muss Konsequenzen haben, und Andreas Eschbach beschäftigt sich mit diesen aus verschiedenen Blickwinkeln. Doch geschieht das nie aufgesetzt, sondern bettet sich zwangsläufig in die Handlung ein und lässt die Spannungskurve noch ein wenig schnittiger werden.

Kritikpunkte lassen sich kaum finden. Man könnte die Figurenkonstellation „gejagter Entdecker mit Fast-Freundin und einem Helfer“ gegen „einflussreiches Ekelpaket mit Helfern und einem Wackelkandidaten“ ankreiden, die ich fast genauso in einem Wolfgang-Hohlbein-Roman gelesen habe und deshalb ein wenig stereotyp fand. Und seltsamerweise hat mich auch der (fiktive) Schriftsteller nicht ganz überzeugt, obwohl er einige Parallelen zu Eschbach aufweist, der es schließlich wissen muss. Nun ja. Dafür ist ein Einfall einfach interessant: Die Beschreibungen der Umgebung und der Menschen sind aus dem Blickwinkel der handelnden Person geschrieben und somit stets etwas anders.

Ein wirklich spannendes, intelligentes und auch religiöses Buch also, das ich nur jedem empfehlen möchte. Insbesondere den Zuschauern des Films „Das Jesus Video“. Wie im Vorspann erwähnt, wurden nur Motive des Romans verwendet. Und so sieht sich diese „Verfilmung“ auch an: In mehr oder weniger sinnlosen Actionsequenzen hangeln sich die Akteure von einem Grundgedanken des Buchs zum nächsten und lassen sämtliche Raffinesse und auch den Realismus des Buchs außen vor. Wie bereits Eschbach sein Alter Ego im Buch sagen ließ: Von einer Buchverfilmung war man bisher immer enttäuscht.

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