Uni-Neulinge
99% Recherche. Das steckt vor allem in diesen Texten. Für ein Titelthema in der UnAufgefordert wurden neue Leute an der Humboldt-Uni gesucht, die nicht studieren. Also Dozierende, Forschende oder Mitarbeitende, die dann doch nicht ganz so einfach in den Semesterferien zu finden waren. Nachdem die ganzen Schwierigkeiten umschifft waren, musste ich in der fertig gedruckten Ausgabe feststellen: Da fehlen ja welche! Tatsächlich wurden die letzten beiden wegen einer aktuellen Meldung herausgenommen und nur Frau Hans blieb im Heft. Herr Kowalski und Herr Baron wurden aber immerhin auf die Online-Seiten gestellt.
Neu in der Uni
Die Globale
„Das ging alles holterdipolter.“ Ende August war Ursula Hans noch in Göttingen, seit dem ersten September leitet sie die Abteilung Internationales der Humboldt-Universität (HU). Diese arbeitet mit Professoren und Professorinnen, berät das Präsidium und — das stehe für sie im Vordergrund — unterstützt Studierende, die ins Ausland wollen und jene, die von dort hierher kommen. „Ich befinde mich also in einer wichtigen Schnittstellenabteilung“, sagt sie und trinkt aus der Kaffeetasse auf ihrem Tisch. Seit ihrer Ankunft sind viele Informationen auf sie eingeströmt, die sortiert werden müssen — so verlaufe sie sich bisweilen noch im Hauptgebäude. Seitdem sie aber weiß, dass der Grundriss wie ein H aussieht, sei es deutlich leichter geworden. „Das ist die reinste Einschüchterungsarchitektur!“, sagt sie zu ihrem Büro. Um es gemütlicher zu gestalten, hat sie einen selbsterstellten Quilt an die Wand gehängt. Ein Zeichen ihrer Weltverbundenheit: Studiert hat sie Amerikanistik und Sinologie in Bonn, Taiwan und Wisconsin, danach war sie unter anderem an den Universitäten Witten/Herdecke und Göttingen.
Nun ist sie da, wo sie gerne hinwollte: In der Humboldt-Universität — „das ist schon ein großer Laden.“ Sie lobt den enormen Reichtum intellektueller Art, aber: „Der Ruf allein kann’s nicht sein.“ Darum will sie die Internationalisierung der Universität vorantreiben und wünscht sich, dass trotz knapper Kassen jeder Studierender ins Ausland kann. Sie selbst sehne sich im Moment nicht nach anderen Ländern — hier in Berlin sei die Welt so nah, dass man nicht weit hinaus muss. Bisher konnte sie die Stadt nicht richtig kennen lernen, aber „ich sehe es an allen Ecken und Enden mir zuwinken: ‚Sieh dir das an!‘ “
Der Forscher
„Unerklärlich.“ Dieses Wort fällt öfters bei Marek Kowalski. Es ist seine innere Antriebskraft, denn er möchte das Universum besser verstehen. Seit Mitte Juli leitet er eine Forschungsgruppe an der Humboldt-Universität (HU), die Neutrinos am Südpol aufspüren will. Aber zuvor standen irdische Probleme an: Kowalski hatte keine eigenen Räume und musste das Gästezimmer eines Kollegen nutzen. Zwei Monate später ist sein kleines Büro noch recht spartanisch mit Regalen und Schrank aus Metall eingerichtet. „Ich habe den Grundverdacht, dass das in den nächsten fünf Jahren so bleibt“, sagt der 32-jährige. Dafür gefalle ihm die moderne Einrichtung im Lise-Meitner-Haus, in dem das physikalische Institut sitzt. „Die Bedingungen sind vergleichbar wie in den USA“, sagt Kowalski, der zuvor im Berkely-Laboratory gearbeitet hat. Doch es gebe Mängel im Detail: Durch die großen Fenster heizt das Gebäude schnell auf und eine Klimaanlage gibt es auf seiner Gebäudeseite nicht — Kowalski arbeitet bei geöffneter Bürotür.
Fünf Jahre hat seine Forschungsgruppe Zeit für das „IceCube“-Experiment, das durch Lichtsensoren in 2000 Meter Tiefe einen Kubikkilometer antarktischen Eises als Detektionsmedium für Neutrinos benutzt. „Damit kann eine neue Art von Astronomie entwickelt werden“, sagt Kowalski begeistert. Bislang werden verschiedene Wellenlängen beobachtet. Doch Neutrinos, kleinste Teilchen, fliegen immer geradeaus und können alles durchqueren — so könnten sie Aufschluss über die Herkunft der bislang mysteriösen kosmischen Strahlung geben.
Für Studierende wird der gebürtige Hamburger zwei Stunden Lehre pro Woche anbieten — in diesem Semester hält er eine Einführungsvorlesung in die Kosmologie, „das ist mein zweites Steckenpferd.“ Die Nähe zu Studierenden und Doktoranden habe den Ausschlag für eine Universität als Arbeitsort gegeben. „Hier können wir Erfahrung sammeln, viele Schnittstellen finden und Spaß am gemeinsamen Interesse haben.“ Die Entscheidung für die HU fiel nicht schwer: „Andere Unis sind ähnlich gut, aber sie haben nicht das Flair.“
Der Berliner
„Ich sehe mich als Humboldtianer“, sagt Steffan Baron, er fühlt sich mit der Humboldt-Universität (HU) verbunden. Auf den ersten Blick mag das überraschen, schließlich ist er erst seit April Leiter des Referats Prüfungsservice. Doch seine Beziehung zur HU reicht weiter zurück: Vor zehn Jahren hat er hier Betriebswirtschaft studiert, schließlich in Wirtschaftsinformatik promoviert. Zwei Jahre war er an der Magdeburger Universität, wohnte aber weiterhin in Berlin, bei seiner Frau und den Kindern. Nun findet er es schön, in Mitte als zu arbeiten: „Ich empfinde einfach eine Vertrautheit mir der Universität!“ Die machte ihm den Arbeitsbeginn nicht leicht: Ein Rechner stand zwar bereit, aber erst zwei Tagen später bekam er ein Büro, hatte dann wiederum keine Möbel. Baron arbeitet die ersten sechs Wochen provisorisch an behelfsmäßigen Möbeln — „das war doch eher ein lustiger Einstieg“, sagt er mit einem Lächeln.
Durch seine Arbeit kommt Steffan Baron nun in Konflikt mit seiner Universität: Einerseits ist er Verfechter der dezentralen Struktur der HU, andererseits erschwert sie sein Vorhaben, ein zentrales elektronisches Vorlesungsverzeichnis einzuführen. „Man hat das Gefühl, etwas Gutes zu tun, stößt aber immer wieder auf Widerstände“, so auch bei den studentischen Mitgliedern in der Kommission für Studium und Lehre. Bei der Abstimmung zur neuen Satzung fühlte Baron sich von ihnen ausgebremst, weil sie parallel analoge Möglichkeiten wollten. „Die Studierendenschaft könnte progressiver sein“, meint er. Bei seiner Arbeit muss er also vielfach Bedenken zerstreuen: „Durch meine Bekanntheit an der Universität habe ich da durchaus Startvorteile.“