Konservative Wende

Das war mal Teamarbeit extrem: Der CDU-nahe Studierendenverbund RCDS gewinnt im AStA der TU seit langem die Oberhand und Albert und ich versuchen einen guten Artikel darüber zu schreiben. Mehrere Interviews und Recherchen später sind wir schlauer, können uns aber nicht auf einen Text einigen, der die Aspekte der Geschehnisse angemessen widerspiegelt. Also haben wir zwei unterschiedliche Texte geschrieben und die blöde Entscheidung der Schlussredaktion überlassen. Die hatte sich dann offenbar für Alberts Text und meine Überschrift entschieden. Auch nicht schlecht.

Konservative Wende

23.02.2007: In der Technischen Universität der Berlin (TU) rückt Polizei an: Auf der Sitzung des Studierendenparlaments (StuPa) ist es zu einer Schlägerei gekommen. Ein vorläufiger Höhepunkt in der Amtszeit des derzeitigen Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA), dessen Handlungen seit rund 40 Jahren erstmals nicht vom linken Spektrum, sondern vom CDU-nahen Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) gelenkt werden. Nun treffen regelmäßig linke und konservative Weltanschauungen aufeinander. „Der AStA betreibt Selbstmord“, heißt es im linken EB104. „Wir vertreten das Studierendeninteresse“, sagt Gottfried Ludewig vom neuen AStA.

Juli 2006: Bei den jährlichen Wahlen zum StuPa der TU ist die Wahlbeteilung mit knapp sieben Prozent niedrig wie immer. Der RCDS erreicht zusammen mit den Unabhängigen Listen (UL) im StuPa erstmals seit 1968 eine knappe Mehrheit von 31 zu 29 Plätzen. Bis auf das Finanzreferat können sie alle zehn Referate des AStA besetzen, Vorsitzender wird Gottfried Ludewig, 24 Jahre, VWL-Student. Er sieht sich als liberal-konservativ — die Verantwortung des Einzelnen und die Bewahrung gesellschaftlicher Grundwerte stehen für ihn im Mittelpunkt. Die Arbeit seines AStAs soll sich auf die Hochschule konzentrieren: „Das Projekt des allgemeinpolitischen Mandats ist nach Jahren konstant niedriger Wahlbeteiligung aus meiner Sicht gescheitert.“ Andreas Brehm, Mitglied im EB104, der größten linken Opposition im StuPa sieht Gesellschaft und Hochschule miteinander verwoben: „Wenn man sich mit Hochschule und sozialem Ausschluß von Bildung beschäftigt, dann ist es komisch, wenn man an den Mauern der Hochschule aufhört.‘ “ Es ist die Frage nach dem allgemeinpolitischen Mandat, dass Auffassungen von Linken und RCDS voneinander scheidet, sie ist der Hauptgrund für die Auseinandersetzungen der folgenden Monate.

Der AStA beginnt nach seiner Wahl im November mit seiner Politik: Die AStA-eigene Druckerei wird geschlossen. „Die Druckerei ist notwendig weil sie günstiges und flexibles Drucken von Materialien ermöglicht, ohne dass man die Zensur des Präsidenten fürchten muss wie dies in der TU-Druckerei der Fall ist“, meint Andreas Brehm. Aufträge seien vom AStA gekommen, aber auch von Fachschaftsinitiativen und von außerhalb der Universität. Mit dem RefRat der Humboldt-Universität (HU) bestand eine Zusammenarbeit. Daher die Meinung des EB104: „Die Druckerei trägt sich.“ Gottfried Ludewig: „Ist es Aufgabe eines AStA, eine Druckerei rentabel zu halten? Das beantworten wir ganz klar mit Nein.“ Für die Aufgaben des AStA reiche die Druckerei der TU, auch Copyshops seien günstig und unabhängig. Nun ist der Raum mit den Druckmaschinen geschlossen, sämtliche Ausgaben dafür sind aus dem vom AStA verabschiedeten Haushaltsplan gestrichen. Als die Angestellten einen Betriebsrat gründen wollten zieht der AStA vor Gericht. „Ich wollte arbeitsfähig bleiben“, erklärt Ludewig, die verschiedenen rechtlichen Einsprüche gegen den AStA versteht er  als Blockade. Den Sparmaßnahmen zum Trotz ließ er sich Rechtsberatung von 20.000 Euro kosten — für ihn Ausdruck des WählerInnenwillens: „Es ist ja auch ein Interesse von diesen, dass du weiter handlungsfähig bleibst.“

Den Studentinnen und Studenten der TU geht unterdessen ein Schreiben zu: Der AStA kritisiert darin die Ausgaben der früheren Asten. Sie seien den Studierenden der TU nicht zugute gekommen. Rico*, ein Mitglied früherer Asten findet: „Das ist Propaganda.“  Einige der aufgeführten Posten seien für Studierendenproteste ausgegeben worden, die Unterstützung der im Schreiben kritisierten studentischen Initiativen gehöre zu den Aufgaben eines AStAs. Rico meint daher: „Außenstehende sollen getäuscht werden, um der Politik des RCDS zuzustimmen.“ Der EB104 merkt an, dass der Haushalt in den letzten Jahren vom Landesrechnungshof geprüft worden sei und es keine Rügen gegeben habe.

Ein Versprechen im Brief lautet: „Mehr Service — kürzere Wege“. Doch: Die angekündigte Website www.asta07.de ist bis heute nicht erreichbar — der AStA hat ihre Entwicklung ausgeschrieben, die vorhandene AstA-Seite wird nicht verwendet. Weiter heißt es, der AStA suche einen zentraleren Ort als die AstA-Villa für seine Arbeit. Rico entgegnet: „Zentral ist das hier“ und zeigt in verschiedene Richtungen zu umliegenden Universitätsgebäuden. Er sieht dies eher als Maßnahme, zukünftige linke Asten arbeitsunfähig zu machen, denn die Villa bot in ihren vielen Räumen Platz für politische Diskussionen und Treffpunkte bis tief in die Nacht. Ein Punkt, der ihm, der sich in einer Liste für die Integration ausländischer Studierender engagiert, am Herzen liegt. „Eine solche multikulturelle Arbeit ist nur bei ganz wenigen Stellen in Berlin möglich.“ Seit es den neuen AStA gibt, seien es noch weniger: „Arbeit, die seit 20 bis 30 Jahren besteht, wird verhindert.“ Den Mitgliedern des RCDS traut er nicht, seinen Namen möchte er daher nicht in der Zeitung sehen.

Der Brief stellt zudem eine Reduzierung des Semesterbeitrags zur Studierendenschaft von 7,10 auf 3,96 Euro in Aussicht. Dies scheiterte für das Sommersemester am Präsidenten der TU, Kurt Kutzler. Andreas Brehm vom EB104 meint: „Der Präsident hat den Betrag auf 5,81 festgelegt, um den AStA handlungsfähig zu halten.“ Gottfried Ludewig dagegen sagt: „Ich finde nicht gut, wie die Univerwaltung auf diese Weise in studentische Selbstverwaltung eingreift. Eigentlich müsste man da gemeinsam gegen vorgehen.“ Die für Finanzen zuständige Kanzlerin der TU möchte sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern. Die Studierenden bekamen aufgrund der Neufestsetzung des Beitrags ihre Rückmeldeaufforderung und Überweisungsträger einige Wochen später als gewöhnlich, der Rückmeldezeitraum musste für die TU verlängert werden.

Im Januar 2007 suchen vermehrt TU-Studierende die Sozialberatung der HU auf. Es heißt, der TU-AStA hätte die Beratung abgeschafft. „Das ist schlichtweg eine Lüge“, entgegnet Gottfried Ludewig. Das Beratungsangebot sei zur Zeit unverändert, aber: „So wie die Beratung im Moment durchgeführt wird, ist sie schwer verbesserungswürdig.“ Der AStA denke über Veränderungen nach — dazu gehört neben einer von allmaxx gesponserten Rechtsberatung auch ein Umgang mit dem Mehrfachangebot von TU, Studentenwerk, und AStA, z.B. bei der Bafög- und Sozialberatung. Das kann auch bedeuten, dass Beratung reduziert wird. Aber: „Im Moment wird es dazu nicht kommen“, so Ludewig. Es sieht ein Bedürfnis nach Student-zu-Student-Beratung. Eine auslaufende Stelle der Sozialberatung wird im Haushaltsplan jedoch nicht neu besetzt. Man wolle sich die Möglichkeit offen zu halten, überhaupt etwas zu ändern. Ein Beschluss des AStA vom 17. Januar, nach dem die Bafög- und Sozialberatung „zum schnellstmöglichen Termin geschlossen“ werden solle, ist bis heute nicht aufgehoben.

Juli 2007, erneut wählen die Studierenden der TU ihr StuPa. Wer wird nun siegen? Der RCDS, dessen Plan es laut Ludewig sei „den Haushalt so sparsam wie nötig zu führen“? Oder linke Listen, die für eine gesamtgesellschaftliche politische Betätigung des AStAs und seiner Gelder eintreten? Und vor allem: Wird die Wahlbeteilung nun höher ausfallen, haben die Ereignisse der letzten Monate für ein erhöhtes Interesse unter den Studentinnen und Studenten gesorgt? Davon gehen sowohl Linke als auch Gottfried Ludewig aus: „Man soll mich Lügen strafen, wenn die Wahlbeteiligung nachher geringer ist, als sie davor war.“ Bleibt zu hoffen, dass die Auseinandersetzungen in jedem Fall friedlicher ablaufen. Das Verständnis zeigen beide Seiten: „Kritik ist was Positives“, sagt Ludwig und Rico findet ebenfalls: „Gegenmeinungen bringen produktives Arbeiten.“

* Name geändert

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