Das Vergeßen

Ist es möglich, eine Parodie auf Franz Kafka zu schreiben? Ich habe keine Ahnung, nichtsdestotrotz habe ich es probiert. Wobei ich das Gefühl nicht loswerde, dass Kafka in den letzten Kapiteln von „Das Schloss“ pure Parodie auf sich selbst betrieben hat.

Das Vergeßen

L. trat auf die Straße, als ein stiller Schrei in der Dunkelheit der Nacht erschallte. Nachdem L. dies gesehen und vielmehr noch, nachdem er dies gehört hatte, waren die Dinge nicht mehr so anzusehen, wie dies vorher noch der Fall gewesen war. Zwar gab es Ausnahmen, kleine Banalitäten hier und durchaus beträchtliche Angelegenheiten dort, doch konnten sie in ihrer Gesamtheit nichts gegen den Eindruck ausrichten, dem L. nun nachhing.

Dabei war L. in keiner nennenswerten Weise in den Vorgang involviert, nicht einmal mit dem kleinsten Bestandteil des Geschehens konnte ihm irgendeine Verbindung nachgesagt werden, nur auf höheren Ebenen hätten sich Verschränkungen auffinden lassen können, welche jedoch aufgrund ihrer Größe und ihrem Umfang dermaßen allgemein hätten formuliert werden müssen, dass sie nicht auf eine ausschließliche und konkrete Weise die Person oder auch nur das Wesen L.’s hätten erfassen können. Andererseits fühlte L. selbst eine äußere und vor allem innere Teilnahme, die in vielerlei Hinsicht nicht einmal von denjenigen empfunden worden ist, bei denen dies tatsächlich der Fall gewesen ist. Aber auch von diesen unterschied sich L. erheblich, so fühlte er etwa ein Unwohlsein, genauer eine Schläfrigkeit, wodurch ihnen gegenüber nichts hätte fremder sein können. L. wusste, ja ahnte von alldem nichts und was hätte es ihm gebracht, dies alles zu überblicken? War es nicht weit eher als ein ungeheurer Vorteil einzuschätzen, dass L. sich ohne Kenntnis derjenigen Dinge, die schließlich auch nicht sehr gefestigt und eindeutig waren, eine eigene, da ja unbeteiligte Meinung bilden konnte? Und war er so nicht verhältnismäßig näher an der Wahrheit, als es denen, die doch viel unmittelbarer beteiligt waren, jemals hätte möglich sein können? So zumindest erklärte sich L. den offen liegenden Widerspruch zwischen der einen Seite, die unverhüllt und zugänglich aufzufinden war und der anderen Seite, die bei weitem direkter und wahrhaftiger erschien. Diese Gedanken begleiteten L. und während er unentwegt seinem Weg zu folgen suchte, spürte er eine Empfindung, mit der ihm nichts anzufangen gelang, genauso wenig wenig wie mit der fortwährend drückend werdenden Stille, die er in dieser Finsternis bereits vollkommen vergessen hatte.

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