Neu-68er

Es ist ja durchaus abstrus, für eine Studierendenzeitung im Jahr 2009 eine Rezension für die Beatles und für Star Trek zu schreiben. Und das noch auf einer ganzen Seite, wo sonst kleinere Texte üblich sind. Was soll’s, mich freut das natürlich. Warum die Schlussredaktion aber eine möglichst langweilige Überschrift gewählt hat, ist mir nicht so ganz klar…

20 Jahre in die Vergangenheit schauen kann jeder. Wir blicken gleich über 40 Jahre zurück!

Neu-68er

Wer käme auf die Idee, die Mona Lisa im Louvre durch Bildbearbeitung aufzupeppen und gegen das Original auszutauschen? Zum Glück niemand. Doch bei zwei popkulturellen Größen der Sechziger Jahre — den Beatles und den frühen Star-Trek-Folgen, wird jetzt genau das getan: Das Original wird verbessert oder ersetzt, auf neudeutsch: remastered. Mit diesem Prädikat schmückt sich die neue Auflage der Beatles-Alben und auch die erste Star-Trek-Serie gibt es nun in neuem Gewand auf DVD.

Im Fall der Beatles stellt es sich als ein längst überfälliges Vorgehen heraus: Die bislang erhältlichen CDs wurden 1987 mit dem damaligen Stand der Technik von Bändern schlechterer Qualität kopiert. Bei den neuen Scheiben wurde dagegen wie bei einer Restauration vorgegangen und die Arbeit hört man den Aufnahmen an: Vier Jahre arbeiteten der Toningenieur Allan Rouse und ein sechsköpfiges Team an den dreizehn Alben und den Singles, die nicht auf den regulären Alben erschienen sind. Sie digitalisierten die Analogbänder, bearbeiteten Produktionsfehler, hoben die Lautstärke an und bearbeiteten die Frequenzen, bis die neuen CDs wie die alten Schallplatten klangen.

Bei der Neuauflage handelt es sich also nicht um einen Remix, sondern um die Originale, die gewissermaßen von einer Staubschicht befreit wurden: Im Vergleich zu den alten CDs lassen sich  feinere Klänge unterschieden, die Bässe klingen besser, die Höhen höher. Wer noch die Klänge der bisherigen Auflage in den Ohren hat, wird überrascht sein von der Klangvielfalt, die sich nun auftut: Plötzlich hört man Basslinien, wo vorher nur ein dumpfes Geräusch war. Was auf „Lucy In The Sky With Diamonds“ wie ein Gesangsecho klang, stellt sich  als raffiniertes Gitarrenspiel heraus und die Leadgitarre bei „Come Together“ beißt sich geradezu in die Gehörgänge. Wie detailreich ausgearbeitet die Arrangements der Fab Four waren, das lässt sich also nun deutlicher heraushören. Und auch, wie handwerklich die Musik war – mehr als deutlich ist bei „A Day in The Life“ ein quietschender Stuhl zu hören.

Wie in den Sechzigern klingt das aber nicht wirklich: Da hörte man in der Regel noch Mono auf Lautsprechern, die heutzutage von jedem Küchenradio übertönt werden. Mono, das heißt für unsere Surround-umschmeichelten Ohren: Aus allen Boxen kommt die gleiche Abmischung. Da sich damals die Stereo-Technik noch durchsetzen musste, wurden fast alle Alben in Mono und Stereo abgemischt. Was banal klingt, sorgte für hörbare Unterschiede: „She’s Leaving Home“ ist als Mono-Version deutlich schneller und in der Regel sind in den Stereo-Fassungen die Instrumente recht eigenwillig verteilt: Links Gesang und Schlagzeug, rechts alles übrige. Kein Wunder, dass den Beatles die Mono-Versionen wichtiger waren und Stereo-Abmischungen als Nebenprodukt ansahen. Ganz dem Zeitgeist entsprechend gibt es jetzt aber nur noch die Stereo-Fassungen einzeln im Handel, für die komplette Mono-Box muss man mehr als 200 Euro auf den Tisch legen. In gewisser Hinsicht ist die Musik der Beatles Opfer neuer Hörgewohnheiten: Wer sie unterwegs auf Ohrhörern abspielt, dürfte kaum einen Unterschied zu den alten CDs wahrnehmen. Schön sind die Alben trotzdem – schließlich ist die Gestaltung der Verpackung und der Booklets mit dem Original-Artwork der LPs äußerst liebevoll geraten.

Star Trek wird immer wieder in neuen Verpackungen auf den Markt geworfen, nun ist wieder eine neue Version der alten Serie herausgekommen. Diesmal wurde das Bild aufgefrischt und die Uniformen von Kirk und Spock leuchten jetzt so, wie es nicht einmal auf den Fernsehbildschirmen der Flower-Power-Zeit zu sehen war. Man beließ es allerdings nicht beim schnöden Entfernen von Staub und Kratzern: Sämtliche Spezial-Effekte wurden durch digitale Neuschöpfungen ersetzt. So fliegt die Enterprise nun nicht mehr als unscharfes Modell in putzigen Trickaufnahmen, sondern stakst durch Animationen wie in einem drittklassigen Computerspiel. Schlimmer noch: Die neuen Weltraum-Aufnahmen haben einige nette Einfälle und Lichteffekte, doch fehlt ihnen der Charme von Spielszenen, in denen Captain Kirk im aufgerissenen Hemd schlecht geschminkte Klingonen verprügelt. Die Folgen wirken dadurch nicht mehr wie aus einem Guss. Am überzeugendsten sind die Überarbeitungen dort, wo sie nicht sofort auffallen: Wo Phaserstrahlen fehlten, wurden sie eingesetzt und grandios ist der Blick auf Spocks Heimatwelt in der Folge „Pon Farr“. Hübsch ist das schon, aber Restauration ist das sicherlich nicht. Empfehlenswert ist deshalb die Blu-ray-Ausgabe, denn hier kann man ständig zwischen alten und neuen Effekten umschalten.

Auch beim Ton wurde einiges getan: Die Titelmusik wurde völlig neu eingespielt und der Originalton ist in 5.1 Surround zu hören. Der deutsche Ton bietet zwar nur einen einzigen Kanal, dafür wechseln munter die Stimmen: Da in der deutschen Übersetzung einige Szenen unsinnig und andere gar nicht synchronisiert worden waren, sind an diesen Stellen andere Sprecher zu hören.

Am Ende geht es darum, Pilzköpfe und unendliche Weiten an eine neue Generation von Konsumierenden zu verkaufen. Dabei wurden die Produkte auf eine Perfektion getrimmt, die sie niemals besaßen. Die swinging sixties in Reinform möchte man heute wohl niemandem mehr zumuten. Fest steht: Die Sechziger wie wir sie kennen, sind seit diesem Jahr Geschichte und höchstens noch ein Fall fürs Museum.

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