Eine kleine Zeitung im Wandel der Gezeiten

Ein persönlicher Rückblick auf die Schülerzeitung für das Abi-Buch. Mir fällt jetzt erst auf, wie *schnief* sentimental ich sein kann…

Eine kleine Zeitung im Wandel der Gezeiten

Verträumt sitze ich in einem Klassenraum, irgendwo im ersten Geschoss der Schule. Um mich herum ein Haufen Siebt‑, Acht- und Neuntklässler, die mich kaum beachten und schon gar nicht ernst nehmen. Ein schweres Brot für einen AG-Leiter. Altersmäßige Unterstützung gibt es kaum, denn Anne W schlägt sich entweder auf die Seite der Rebellen, liest recht abwesend im neuen SPIEGEL oder ist gar nicht da. Auch Evelyn hat sich inzwischen abgemeldet. Irgendwie bin ich zu alt für diese Redaktion…

Aufgeregt ging ich zur Redaktionssitzung. Das heißt, ich wollte zur Redaktionssitzung gehen. Inzwischen war ich nämlich schon achte Klasse und zur Schülerzeitung „Pennetrant“ wollte ich eh schon einmal. Da stand ich nun und sah in den Mehrzweckraum: Eine unheimliche Masse unheimlich alter 12- und 13-Klässler saß um zusammengeschobene Tische herum und diskutierte lebhaft. Ich beschloss, meine journalistische Karriere etwas zu verschieben.

In der kommenden Woche waren wir bereits zu viert: Neben mir wollten auch Thomas, Katrin S und Susanne W die Feder schwingen. Diesmal waren nur zwei Redakteurinnen anwesend, die sich aber wahnsinnig über neue und vor allem junge Schreiberlinge freuten.

Und schon die nächste Ausgabe präsentierte unsere Werke unter dem bezeichnenden Titel „Die jungen Wilden“. Katrin hatte unter dem Pseudonym „Minnie Winnie“ ein recht freches Interview („Wie alt ist denn ihre Göre?“) mit der Kurzzeit-Schmidtke-Ersatz-Lehrerin Frau Drope geführt und Susanne gab als „Tweety“ Tipps für Anhänger des Piercing-Kults („Auf die Plätze – fertig – stechen!“). Thomas dachte noch über sein ambitioniertes Projekt „Wie ich mich am schnellsten unbeliebt mache“ nach und ich wunderte mich, dass mein Gedicht nicht veröffentlicht wurde. Irgendwie war es auf dem Weg zur Druckerei verloren gegangen. Es war aber auch eine geschichtsträchtige Zeit: Die „Pennetrant“ war gerade dabei, mit dem „Steinschlag“ der Einstein-Schule zu fusionieren und die Redaktion ließ in der Einstein-dominierten „Kapitalistischen Einheitszeitung Deutschlands“ nach einen neuen Namen ausrufen. Auch hier wieder nicht mein Gedicht. Mist! Und Thomas war mit seinem Lebensratgeber immer noch nicht fertig.

Doch nachdem sich die Zeitung selbst „PeSt“ genannt hatte, erschienen auch endlich meine ersten Artikel. Ein Querbeet-Lehrer-Interview, bei dem sie „cool“ erklären sollten und außerdem eine Geschichte, in der der Leser selbst den weiteren Verlauf auswählen konnte. In dieser Ausgabe hatte übrigens auch Anne ihren ersten Auftritt, sie sollte sich den Preis für ihre Namensvorschläge abholen. Und Thomas hatte inzwischen sein Projekt aufgegeben und hatte freundlicherweise meine Texte abgetippt, da ich zu der Zeit noch keinen PC besaß.

Im folgenden Jahr erschien überhaupt kein Artikel von irgendjemanden aus unserer Stufe. Wollt ich nur mal erwähnt haben.

Im Jahr danach hatte sich eine neue Redaktion gebildet, da die ehemaligen Redakteure inzwischen ehemalige Schüler waren. Anfangs waren wir noch recht optimistisch, was eine neue Ausgabe anging, aber im Verlauf des Schuljahres stellte sich heraus, dass der Layouter nicht nur unfähig, sondern auch faul war. Sprich: Keine Zeitung in diesem Jahr. Dafür stieß aber Anne irgendwann zur Redaktion, was die Lethargie dann irgendwie erträglich machte.

Dann (sprich: 11. Klasse) ging’s los: Chefredakteurin Ulrike hatte schon in den Sommerferien eine Ausgabe mit Artikeln, die vor allem von ihr und Anne stammten, fertiggestellt. Ein erster Text von ihr ist „Das Handy“, in dem sie vor allem über deren Besitzer schrieb: „Was hat meinen Gehirnzellen mehr geschadet? Das bösartige Handyklingeln oder das völlig sinnentleerte Gespräch des Angerufenen?“ Anne hat übrigens seit geraumer Zeit ein eigenes Handy. In dieser Ausgabe wieder kein Artikel von mir.

Die übernächste Ausgabe durfte ich dann bereits (mit-)layouten, was mir die vollkommene Kontrolle über die Veröffentlichung meiner Artikel gab.

Im folgenden Jahr ging dann das olympische Feuer der Chefredaktion an uns, sodass bis Januar keine Zeitung herauskam. So kam dann die Ausgabe zum 11.09.2001 dann auch etwas spät, was aber nichts am völlig leeren Cover änderte. Einen Text zum Titelthema schrieb Susanne P, die dann nicht mehr wiederkehrte. In der ersten Sitzung dieses Jahres saßen übrigens auch Jan und Felix, was mir bis heute ein völliges Rätsel ist. Ständiges Redaktionsmitglied wurde von da an Evelyn, die später nach zwei Minuten Redaktionssitzung fragte: „Ist noch was Wichtiges?“

Bereits bei der kommenden Ausgabe verfügten wir über ein eigenes Cover und Anne schrieb wieder mal einen Artikel. Mit der Zeit wurde die Schülerzeitungsarbeit Routine, ein paar Siebt- und Achtklässler kamen hinzu, Herr Triebe meinte mit jeder Ausgabe, dass wir besser werden und Jasmin meinte mit jeder Ausgabe, dass wir schlechter werden.

Zur 13ten Klasse kamen erneut junge Mitglieder hinzu, Annes Artikel wurden zu seltenen Kostbarkeiten und Julia verfasste zwei Beiträge: Der erste hieß „Magische Transpiration der Achtziger oder doch nur die Nebenwirkungen der Kinder der Kinder vom Bahnhof Zoo?“ Es ging um verschiedene Coverversionen.

Vor einigen Monaten hat mir Anne während einer Sitzung ihren Hefter gegen meine Nase geschlagen. Wir sind irgendwie alle überdreht. Oder vielleicht versuchen wir nur, mit den Jungen Wilden mitzuhalten. Neulich hat Franziska, neunte Klasse, eine Sitzung beendet, bevor ich überhaupt da war. Die Zeit vergeht…

Ein graues Haar tänzelt im Wind…

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