Multimediale Film-Wunder

Ein Rückblick auf die Multimedia-AG meines Gymnasiums. Den Text hatte ich für das gedruckte Abi-Buch nicht mehr geschafft und so erschien er schließlich auf der CD-Version, die aber kaum jemand haben wollte. Sei’s drum — der Text hat einfach nicht dieses gewisse Extra, das den Rückblick auf die Schülerzeitung so schön macht.

Multimediale Film-Wunder

Es klang neu. Es klang aufregend. Es klang nach Film. Und es klang vor allem nicht nach Schule: Im Herbst 2000 begann die sogenannte Multimedia-AG ihre Arbeit und war doch eigentlich eine Film-AG, denn dies war ihr Ziel: Ein kompletter Film für die Zeugnisverleihung am Schuljahresende.

Nachdem die AG-Leiter Kathleen und Dennis (Abi-Jahrgang 98 ) kurz zuvor durch ausgiebiges Abfilmen des Schulalltags aufgefallen waren, präsentierten sie nun einen Zusammenschnitt den neugierigen Schülern. Anwesend bei den ersten Treffen waren André P, Anne W, Axana (damals noch eine Klassenstufe höher) und ich. Anne flüchtete schon bald, Axana entwickelt das Aussehen des Außerirdischen „Anders“ – und André und ich schreiben eine Szene. Eine ziemlich obskure Szene, denn es ist eine der wenigen Szenen ohne Lehrer. Und sie spielt in den wunderbaren Schulklos. Toll.

Der ursprüngliche Gedanke der AG sah vor, dass Anders den Raum betritt, bei den Pinkelbecken immer mehr „Censored“-Schilder erscheinen und der kleine Kerl völlig verstört in den Gang eilt. Das war dann doch etwas viel Holzhammer. Die neue Fassung ging die Toiletten-Problematik etwas subtiler an: Meine Wenigkeit – gekleidet in Abendgarderobe – öffnet dem Wesen die Tür zu den Örtlichkeiten, er tritt über einen roten Teppich und sobald er an den Pinkelbecken ankommt, ist ein künstlerisch wertvoller Schwenk über diese zu sehen und zu hören ist Michael Jacksons „Earth Song“: „Look what we’ve done to the world – look what we’ve done.“ Das Stück wurde allerdings beim Schnitt durch „Help!“ ersetzt, da die Sequenz zu lang gewesen wäre. Ist ja auch ganz nett.

Eine andere Neuerung ist die Damentoilette: Wo schon nicht genug Statisten für eine lange Schlange am Herren-Klo da waren, konnte ich wenigstens noch eine weitere Tür aufhalten. Natürlich für Anne, denn mir war keine andere Person eingefallen, die für einen knapp einsekündigen Auftritt ein Kleid in die Schule schleppen würde.

Im nächsten Schuljahr ging die AG weiter und André und ich waren noch die einzigen Teilnehmer aus unserem Jahrgang. Die Beliebtheit von „Anders im Weidenland“ war der AG ein wenig zu Kopf gestiegen und wir wollten „wichtige“ und „hochwertige“ Kurzfilme produzieren. Was immer das sein sollte.

So kam es jedenfalls, dass wir mein Image des Drogen-Junkies ausbauten und ich durfte ein wenig verwirrt durch einen Gang zu huschen. Es gab kein Drehbuch – nur dieses Konzept. Bei einem Kurzfilm-Wettbewerb war dieses Machwerk übrigens ohne Erfolg. Trotz der netten Melodie von „Mullholland Drive“. Im Gesamt-Film kündigte ich diesen Kurzfilm – also mich selbst – schließlich mit „Und nun zu etwas völlig anderem“ an. Endlich erfüllte sich mein Traum eines Monty-Python-Zitats!

Einen großen Zuwachs an Jahrgangs-Genossen gab es über den Kunst-Unterricht und den Themenkomplex „Visuelle Medien“. Nun unterstützten uns Silvia, Sandra, Martina, Katja A, Judith W, Julia D, Eugen und Erik vor und hinter der Kamera. Nicht nur bei den zwei übrigen Kurzfilmen (dort hinter der Kamera), sondern auch bei den Schulnachrichten „w‑tv“ und dem Schuljahresrückblick, die eigentlich völlig missraten sind (muss man ja mal sagen!). Die Texte zu den Nachrichten hatten sich Dennis und ich in der Nacht davor aus den Fingern gesaugt und der Rückblick war lediglich eine Notlösung, die kurz vor der Vorführung gedreht wurde, da die Kunstlehrer bei „Hoeftis Report“, der vollständig fertiggeschrieben war, plötzlich nicht mitspielen wollten. Also stellten wir zwei Kameras in Kathleens Wohnzimmer und versammelten die AG- und Kursteilnehmer zu Kaffee und Kuchen. Spontaneität kann ja so weh tun…

Im nächsten Jahr war wieder vieles anders: Der Großteil der AG-Teilnehmer kam aus der neunten Klasse und ich war als einziger 13-Klässler deutlich in der Minderheit. Zudem konnte ich wegen der Abi-Prüfungen erst im 2. Halbjahr teilnehmen, schrieb dann aber zusammen mit einer Achtklässlerin das Drehbuch von „Man lernt nur einmal“ und spielte die Rolle des selbstverliebten Chefredakteurs.

So konnte ich auch eine Szene einbauen, die ich bereits einige Monate zuvor geschrieben hatte: Im Jahr 1979 berichtet eine FDJ-Gruppe vom Bau einer neuen Schule – unserer Schule. Als tief im Sozialismus verwurzeltes FDJ-Mädchen castete ich sogleich Julia S, die sich einen sächsichen Akzent bis zum Dreh am Herrentag aneignete. Dies war als Drehtag übrigens völlig ungeeignet, da die Gaststätte gegenüber lautstark Party-Musik spielte und uns lediglich eine Drehzeit von 15 Minuten gönnte. Aber wir haben es geschafft!

Ach ja: „Man lernt nur einmal“ übertraf nach Meinung der Zuschauer „Anders im Weidenland“, mit dem fast drei Jahre zuvor alles angefangen hatte…

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