Der Fuchs und der Hase (Teil 2)

Und hier nun die Fortsetzung… Diese Schwimmbad-Episode ist übrigens die deutlichste Reminiszenz daran, dass die Ursprünge dieser Geschichte bis in den Sportunterricht meines achten Schuljahres zurückreichen. In den Zeiten auf der Auswechselbank hatte ich nämlich mit einem Mitschüler eine Detektiv-Geschichte ausgearbeitet, die sich um einen verschwundenen Sportlehrer drehte. Die Spur führte den Ermittler u.a. zu einer Sporthalle. Leider ist der Mitschüler kurz später bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Das ist für dich, Matthias!

Der Fuchs und der Hase (Teil 2)

Am nächsten Morgen war der Detektiv auf dem Weg zum Schwimmbad in der Badstraße. Die Sonne schickte ihre noch jungen Strahlen auf die Perlen des Morgentaus, die Vögel zwitscherten sich den Schlaf aus den Augen und Kinder balgten vergnügt auf dem Weg zur Schule, schrien herum, umkreisten kleinere Kinder und raubten sie aus, während sie ihnen lebensgefährliche Verletzungen zufügten. Von all dem bekam Detektiv Fuchs nichts mit, da er noch zu sehr beschäftigt damit war, seine vegetativen Körperfunktionen in Betrieb zu bekommen. „Morgens ist man noch eine Fuchsie“, lautet darum auch ein Sprichwort, dass aber nur zutrifft, wenn ‚man‘ ein Fuchs mit botanischen Schlafgewohnheiten ist oder eine Fuchsie. Oder ein Werfuchs, der sich bei Vollmond pflanzlichen Mutationen hingibt. Ein durchaus spannendes und wenig beschriebenes Phänomen, das aber an dieser Stelle aber zu weit führen würde und auch gar nicht auf Detektiv Fuchs zutrifft. Er war einfach nur müde.

Beim Schwimmbad staunte man nicht schlecht über den Besuch eines Fuchses – doch nachdem er seinen selbstgebastelten Detektivausweis vorgezeigt hatte, führte man ihn bereitwillig in die Halle. Vorher musste er allerdings seinen Trenchcoat ausziehen, da dieser als zu unhygienisch galt. Nackt bis auf sein Fell traf er am Beckenrand auf den Bademeister, der die Proben des Chlor-Chors beaufsichtigte, einem Unterwasser-Nichtschwimmer-Gesangsverein, der seit Jahren unter Mitgliederschwund litt. Detektiv Fuchs reichte ihm das Handtuch des Hasen. Der Bademeister sah ihn überrascht an. „Wie kommen Sie zu dem Handtuch des Hasen? Und wer sind Sie überhaupt?“ — „Ich bin Detektiv, meine Karte ist in meinem Trenchcoat und der ist draußen. Ich bin auf der Suche nach dem Hasen, dem dieses Handtuch gehört. Die Frau des Hasen hat es mir gegeben.“ — „Dann hat der Typ also eine Frau? Hat er nie erwähnt. Schade, nach allem, was wir hier zusammen erlebt haben. So ist das wohl: Für die Leute hier ist man ja doch nur der Bademeister, irgend so ein Typ, der die ganze Zeit am Beckenrand steht und halbnackten Menschen beim Schwimmen zuschaut. Aber ich habe doch auch Gefühle! Hat mich mal jemand gefragt, wie es mir dabei geht? Weiß überhaupt jemand, wie ich heiße? In dieser Welt sind wir doch alle nur Maschinen, die funktionieren müssen…“ — „Können Sie mir nun helfen, Bademeister?“ Der Bademeister wischte sich etwas aus seinem Gesicht, seine geröteten Augen ließen auf Chlor schließen. Er zeigte in einen etwas abgetrennten Bereich mit Liegestühlen. „Dort hat er sich öfter aufgehalten. Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen.“ Der Detektiv nickte ihm zu und ging zu der Ruheecke. „Ich heiße übrigens Bernd“, hörte er noch den Bademeister rufen, doch da hatte er ihn bereits aus seinem Gedächtnis gestrichen.

Hier nun war Detektiv Fuchs in seinem Element. Er untersuchte die Stühle, die darauf ausgelegten Tücher und ließ sich nicht von den Leuten stören, die sich dort eigentlich ausruhen wollten. Er untersuchte einige Spielgeräte aus Schaumstoff und ein paar Schwimmhilfen aus China. Schließlich fand er, was er suchte: Eine Spur. Mehrere feine Hasenhaare waren auf dem Boden verteilt, dazwischen ließen sich noch recht deutlich die Pfotenabdrücke ausmachen — all das stimmte mit den Angaben auf dem Handtuch überein. Er folgte den Spuren quer durch die Schwimmhalle, dreimal auf der Bahn links außen und schließlich zu einem Fenster. Während all der Zeit spürte er den zornigen Blick eines Bademeisters auf sich, aber er hatte Dringendes zu erledigen: Eine Spur verfolgte sich schließlich nicht von selbst.

Draußen nahm er die Spur wieder auf, ließ sie aber fallen, als er mit Blick auf die Uhr feststellte, wie spät es schon war. So spät schon? Egal. Er nahm die Spur wieder auf und folgte ihr quer durch die angeschlossenen Straßen. Schließlich verlief sie im Sande und konnte so spurlos verschwinden.

Desire line, das ist der englische Ausdruck für einen Trampelpfad“, flüsterte ein Mann mit langen grauen Haaren, der plötzlich neben dem Fuchs stand. „Und Handy, das Wort kennen die Engländer gar nicht, das ist dort ein mobile phone.“ Der alte Mann zwinkerte dem verwunderten Fuchs zu.

Wer sind Sie eigentlich?“, fragte dieser schließlich, als ihm keine passende Antwort einfiel.

Ach, ich habe bereits so viele Namen gehabt. Nennen Sie mich einfach Mister Y.“ Wieder zwinkerte der Mann.

Mister Y? Warum denn das?“

Letzten Endes sind es die Fragen, die Sie weiterbringen werden, nicht die Antworten. Also achten Sie immer auf die Fragen!“

Fragen?“

Ich sehe, Sie lernen schnell. Wir werden uns zu gegebener Zeit wieder sehen“, sagte Mister Y und verschwand im Schatten eines Birnbaums. Detektiv Fuchs hielt immer noch das Handtuch mit Hasengeruch in der Hand und wusste nicht weiter. Doch er hatte für solche Fälle vorgesorgt und wusste in gewisser Weise also doch weiter, doch er wusste auch, dass er diese Hilfe nur in Anpruch nehmen konnte, wenn er eigentlich nicht weiter wusste. Ein Dilemma ungeheuren Ausmaßes tat sich vor ihm auf, bei dem er nicht mehr weiter wusste und so konnte er es dann doch lösen. Er hatte sich nämlich daran gehalten, was ihm gleich zu Beginn bei der Detektivschulung empfohlen worden war: Als staatlich anerkannter Detektiv brauche man unbedingt einen zwielichtigen Informanten. Und den hatte er dann auch per Zeitungsannonce aufgetrieben: „Suche allwissenden Informanten zur Ausübung meiner Detektei. Sollte keinen dummen Fragen stellen, damit mehr Zeit für meine bleibt. Bei gleicher Qualifikation werden Bewerber/innen mit ausländischem Akzent bevorzugt.“

 

Fortsetzung folgt…

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